BILDER SCHAFFEN RÄUME

Merkur 28.07.2011
Münchner Merkur Ausgabe Landkreis Süd    Freitag, 29. Juli 2011    Nr. 173        S. 37

von Manfred Stanka

 

Bilder schaffen magische Räume

Ausstellung „Kunst in den Hundstagen” setzt auf Überformung, Assoziation und die Kraft des Geheimen

Die Nacht und das künstliche Licht, das Bürotürme, Verwaltungspaläste, Parks und Straßen in ein märchenhaftes, unwirkliches Szenario verwandelt. Wege werden auf den Fotografien von Gino Braun zu Traumpfaden. Einer von ihnen führt direkt zu dem von Franziskus Schmid vergoldeten Findling, der in sattem Gelb-Rot den Einlass in die „Galerie Aurum Magnum“ in Peiß markiert. Mit „Kunst in den Hundstagen“ präsentieren die Galeristen Franziskus Schmid und Stephan Huslik eine Bilder- und Objekteschau verschiedener Künstler, in deren flüchtiger Magie sich der Besucher verliert. Hier scheint selbst das Leuchten einer Parklaterne inszeniert.

 

In den „Nachtstücken“ des Münchners Gino Braun kommen keine Personen vor. Die hier gezeigte Natur ist keine unberührte Landschaft, sondern deutlich überformt. Und wie so Manches, was man von stilsicheren Fotokünstlern einfordern muss, macht auch der 48-Jährige durch das nächtliche Licht etwas sichtbar, was bei Tag nicht da oder jedenfalls nicht wichtig ist. Die von ihm gezeigte Welt mit den sternförmigen Ampeln, den zahllosen erleuchteten Fenstern, die ein eigenes Firmament formen wollen, beinhaltet weit mehr als Wirklichkeit. Mühelos kann man eine vierte oder fünfte Dimension sehen. Die mit einer virtuosen Weitwinkeltechnik entstandenen Digital-Impressionen werden im Studio bearbeitet. Wie beim Film-Schnitt rückt der Künstler dann Objekte in den Vordergrund – und ein bisher unscheinbarer Teil der Architektonik gewinnt Eigenleben.

Der Fixpunkt jeder Ausstellung ist das Auge. Beim Betrachter sowieso, meistens aber auch bei den Porträts. Es sind erfundene Gesichter, die sich bei Thomas Neumann schemenhaft festklammern. Nase und Kinn gewinnen Kontur und letztlich scheinen sie einer ständigen Verwandlung unterworfen zu sein. Fixpunkt einer Porträtreihe ist das Abbild eines „Sunny Boy“, der jungenhaft, vital und attraktiv zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion schillert. Farbenkräftig und ungekünstelt ist sein Umgang mit Acryl auf Leinwand.

Mehr und mehr aber nehmen in den weiteren Porträts dynamische Strukturen überhand: Aus Ruhe wird Expression. Zwar bilden sich Assoziationen, Ähnlichkeiten zwischen den sich auflösenden Porträts wollen gefunden werden. Der Moosacher, der als Grafiker begann, kann im doppelten Sinne als phantastischer Maler gelten. Eigen sind ihm enorme technische Qualität, Intuition und Spontaneität. Und ein Humanismus, der den Menschen analysiert und demaskiert, ihn aber zugleich achtet.

Ein Magier, ein Zeitreisender, der sich in byzantinischen Kirchen ebenso gut auskennt, wie in alten Klöstern und Renaissancepalästen, der dann Nepal und Indien durchforstete und die Lech von ihrer Ursprungsquelle bis zur Donau verfolgte. Franziskus Schmid scheint viel vom Geheimwissen der großen Meister zu wissen. Seine Technik ist die mittelalterliche Gold- und Silberradierung. Der Untergrund ist Holz, Blattgold oder Silber werden entweder direkt auf den Bildträger geklebt oder nachträglich auf die bereits gemalte Farbe aufgebracht.

Geheimschriften wie aus Tolkiens „Herr der Ringe“ verschnörkeln sich zu silbern schimmernden Hieroglyphen. Wer sich an ihre Entschlüsselung wagt, muss Franziskus kennen. „Sie sind Ausdruck meines unbewussten Ich“, sagt er und weiß: Nichts ist geheimnisvoller als der Mensch.